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Vorsicht Fremdselektion (!) oder Vom Nutzen der Metakompetenz Selbstselektion

Aktualisiert: 10. März 2021

Wir gehen davon aus, dass die Welt, in der wir leben, zunehmend komplexe Strukturen aufweisen wird. Täglich sind wir umgeben von vielfältigen Umgebungsbedingungen und Informationen. Diese erreichen uns zunehmend auch digital. Gleichzeitig stehen viele von uns unter Anspannung, Stress und Druck [1]. Die gegebenen Anforderungen, z. B. in Beruf und Familie, fordern häufig eine hohe Energie und Aufmerksamkeit. Eine achtsame Wahrnehmung sowie persönliche Abwägung und Entscheidung wird erschwert. Umgebungsbedingungen und Informationen, die auf uns einwirken, bergen das Risiko einer unbemerkten Fremdbeeinflussung [2].


Anfang Oktober dieses Jahres erschien im Deutschlandfunk ein sehr interessanter und hörenswerter Beitrag über den digitalen Wahlkampf mit dem Titel “Der unregulierte Wahlkampf im Netz; Digitale Brandbeschleuniger [3].“ Der Deutschlandfunk schreibt dazu auf seiner Homepage: “85 Prozent aller geteilten Inhalte deutscher Parteien auf Facebook stammen von der AfD. Wie das geschieht, welche Techniken, Taktiken und Daten verwendet werden, bleibt jedoch im Dunkeln – im verdeckten digitalen Raum. Meist kennen nur Sender und Empfänger die Inhalte dieser politischen Botschaften [3]. Im Mitschnitt wird berichtet, wie Anzeigen und politische Werbung gezielt an ausgewählte Personen gesendet werden. Werbebotschaften werden gezielt als

“Dark Adds [3]“ verbreitet.


Es findet in diesen Fällen eine so genannte Fremdselektion statt.


Ein interessanter Begriff zur gewünschten Beeinflussung von sozialen Systemen und Individuen ist in dem Zusammenhang das „Nudging“. Durch einen gezielten „Stups“ sollen Individuen in eine bestimmte Richtung bewegt werden. Diese kann zum Beispiel das gewählte Mittagessen in der Kantine betreffen (z. B. durch eine geschickte Positionierung oder Vergrößerung einer bestimmten Auswahlstelle). Oder den Weg, den Personen nehmen sollten, um eine bestimmte Position im Straßenverkehr gezielt zu umgehen [4].


Die Metakompetenz, die dieser möglichen Beeinflussung etwas entgegensetzt, ist die Fähigkeit zur Selbstselektion. Hierbei geht es um die Disposition, aus einem System mental herauszutreten, die gegebenen Umstände und verfügbaren Informationen in einen umfassenderen Kontext zu stellen und selbstbestimmt, im Rahmen der eigenen Möglichkeiten und Ziele, über die eigene Position zu entscheiden und zu handeln [5,6].


Eine für Individuen hilfreiche Idee zur Unterstützung dieser Auswahl veröffentlichte die Zeitschrift Spektrum 2015 in ihrem Sonderheft “Das Digital-Manifest“. Es erschien darin eine Kolumne zum “Big Nudging”, welches in Kombination mit Big Data betrieben wird [7].

Dirk Helbig schreibt dort: “Als Musterbeispiel, wie Nudging funktionieren könnte, nannte” Richard Thaler* “einen GPS-basierten Routenleitassistenten. Der wird jedoch vom Nutzer selbst ein- und ausgeschaltet. Der Nutzer gibt das jeweilige Ziel vor. Der digitale Assistent bietet mehrere Alternativen, zwischen denen bewusst ausgewählt wird. Der digitale Assistent unterstützt den Nutzer so gut er kann dabei, sein eigenes Ziel zu erreichen und auf dem Weg dorthin bessere Entscheidungen zu treffen. Das wäre sicherlich der richtige Ansatz...“


Mit einer trainierten Fähigkeit zur Selbstselektion können Informationen sensibler wahrgenommen und verarbeitet werden. So wird die Möglichkeit verbessert, eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Solche Positionen können sich dann z. B. in der persönlichen Positionierung bei einer politischen Wahl oder in der Umsetzung des eigenen Lebensstils ausdrücken. Insofern kann die Befähigung zur Selbstselektion als eine bedeutende Fähigkeit zur Selbstorganisation von Individuen und Organisationen verstanden werden.


In Kooperation mit meinem Kollegen Alfred Oswald vom Institut für Social Technologies (IFST) werden wir in Kürze ein Trainingsprogramm zur Metakompetenz Selbstorganisation anbieten. Ein Schwerpunkt des Trainings liegt hierbei auf dem Thema Selbstselektion.

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[*]“Richard H. Thaler …ist ein US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Professor an der University of chicago. Er gilt als einer der weltweit führenden Verhaltensökonomen und beriet unter anderem den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama. 2017 wurde Thaler mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet.” Quelle: Wikipedia, zugegriffen am 3.11.2019, 19:13Uhr



[2] Spektrum der Wissenschaft, Sonderausgabe “Das Digital-Manifest“, 16.12.2015, online zugegriffen am 6.11.2019, 18:50Uhr

[5] Baecker D: 4.0 oder Die Lücke die der Rechner lässt, Merve Verlag 2018, Leipzig

[6] Oswald A, Müller W (Hrsg.) : Management 4.0 – Handbook for Agile Practices, Release 3, BoD Verlag 2019, Norderstedt


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